Sweetwater

Kayode Ojo, Call it what you want featured in Berliner Zeitung

Gallery Weekend 2021: Die zehn Highlights, die man gesehen haben muss

by Hanno Hauenstein

April 25, 2021

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5. Kayode Ojo bei Sweetwater

Ganz am Anfang seiner Karriere verkaufte der noch junge US-Maler Ed Ruscha 1959 ein Bild an Henry Hopkins – den späteren Direktor des San Francisco Museum of Art. Auf der Leinwand, die als der Ursprung von Ruschas berühmten Textgemälden gilt, stand unter expressionistischen Farbmustern das Wort „Sweetwater,“ inklusive verheißungsvollem Komma. To be continued. Doch die Hommage an ein verschlafenes texanisches Örtchen wurde später an der University of California in Los Angeles von einer Studentin übermalt, die das Bild für eine verworfene Skizze gehalten hatte. „Sweetwater“ von Ed Ruscha ist verloren, ein Geist von einem Gemälde, das nur noch als Schwarz-Weiß-Foto existiert.

Ziemlich erfolgreich reinkarniert ist es jedoch als Berliner Galerie. Der ehemalige New Yorker Investmentbanker Lucas Casso sieht die Ruscha-Geschichte als symptomatisch für unseren digitalen Bilderkonsum und die Frage, was Originalität bedeutet. Seine Galerie Sweetwater, mit der er vor allem junge US-Künstlerinnen und Künstler nach Berlin bringt, eröffnete er 2018. Im Frühjahr nimmt er zum zweiten Mal am Gallery Weekend teil – erstmals in den neuen Räumen an der Leipziger Straße. Dort zeigt Casso nun die neuen Arbeiten des jungen New Yorker Künstlers Kayode Ojo, bei dem ebenfalls eine Vorliebe für vieldeutige Geschichten erkennbar ist.

Kayode Ojo, “L'Amant Double (Vienna)” (2020)
Kayode Ojo, “L'Amant Double (Vienna)” (2020)

Ojo ist Fotograf und Bildhauer und verbindet präzise Inszenierungen mit der Idee des Readymade. Wenn man wollte, könnte man ihm gleich noch ein paar Pop-Art-Einflüsse unterstellen, denn er interessiert sich für massenproduzierte Objekte, Ornamente und Materialien, die dazu gemacht sind, wertvoll auszusehen – aber meist in zu Tode geschmückten Interieurs untergehen und nicht mehr als eigenständige Formen betrachtet werden.

Ojo schafft es, seine Werke gleichzeitig dramatisch und reduziert aussehen zu lassen. Und: die Frage nach dem Original galant beiseite zu wischen. Im Gegensatz zu vielen anderen Künstlerinnen und Künstlern fürchtet er sich außerdem kein bisschen vor Kitsch. Aus Textilien, Möbeln und Modeschmuck baut er glitzernde Installationen, die sich wie kapriziöse Hollywood-Kulissen gebärden. Vermeintliche Requisiten werden zum Zentrum des Raums, wehren sich dagegen, ihre Geschichten preiszugeben. Die so kombinierten Objekte wirken wie eingefrorene Figuren eines Kammerspiels ohne Drehbuch. In den Kleidungsstücken erahnt man Körper, die abwesend sind.

Zu Ojos bekanntesten Fotoserien gehören Aufnahmen von Afterpartys nach Kunstevents: uneindeutige Anlässe voller Selbstdarstellung. Intimität und Loslassen scheinen möglich, gleichzeitig spielen alle ihre Rolle weiter – es könnte ja zu später Stunde noch ein Deal drin sein. Die halb-professionellen Zusammenkünfte zwischen Exzess und Selbstbeherrschung werden dem Gallery Weekend in diesem Pandemie-Frühjahr fehlen. Vielleicht müssen Kayode Ojos Installationen daher ein bisschen für uns mitglänzen. Saskia Trebing

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